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Zum Fall Gäfgen

 

Die 27. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts hat am 20. Dezember 2004 gegen den Vizepolizeipräsidenten von Frankfurt Wolfgang Daschner und den Hauptkommissar Ortwin E. für Recht erkannt, den Kindesmörder Gäfgen im Polizeigewahrsam genötigt zu haben, den Aufenthaltsort des von Gäfgen entführten Jakob von Metzler zu benennen. Die beiden altgedienten Polizeibeamten gaben zu ihrer Verteidigung an, in einer extremen Notlage für das entführte Kind gehandelt zu haben, da befürchtet werden mußte, dass das vermutlich noch lebende Kind in dem von dem Entführer gewählten Versteck in Lebensgefahr sei.  Diese Darstellung ist nicht bestritten worden!

Zur Rechtslage:

In unserem Rechtssystem darf jeder Bürger einen lebensbedrohenden Angriff auf sich selbst abwehren, auch wenn dabei der Angreifer unter Umständen getötet wird. Man spricht in diesem Falle von Notwehr. Der Angegriffene wird dann straffrei gestellt.

Springt ein Dritter, zunächst Unbeteiligter, dem in Lebensgefahr schwebenden Angegriffenen bei und hilft ihm, den lebensbedrohlichen Angriff abzuwehren, so spricht man von Nothilfe. Auch er wird straffrei gestellt. 

In unserem Rechtsstaat hat der Staat das Gewaltmonopol. Daraus erwächst ihm die Verpflichtung, für den Schutz des Bürgers auch mit solchen Mitteln zu sorgen, die dem Bürger aus gutem Grunde verwehrt sind. So ist der Schuß durch Polizeibeamte auf einen Geiselnehmer, z.B. bei Bankraub, erlaubt, auch wenn der Geiselnehmer dabei getötet wird.

Sitzt der Entführer eines Kindes bereits im Polizeigewahrsam und verschweigt er den Aufenthaltsort des Kindes, so befindet sich das entführte Kind in latenter Lebensgefahr. Der Polizei sind jedoch die Hände gebunden, da sie nach Auffassung des Frankfurter Landgerichts aufgrund des Folterverbotes den Entführer nicht zwingen darf, den Aufenthaltsort zu benennen. Der Staat verlangt dann vom Bürger hinzunehmen, dass zum Schutz des Folterverbotes das entführte Kind sein Leben verliert. Würde man das Folterverbot in diesem Falle lockern, so die Auffassung vieler Strafrechtslehrer, käme es zu dem gefürchteten Dammbruch, d.h. das Foltern im Polizeigewahrsam würde gang und gäbe und ließe sich nicht mehr steuern. Das Kind wird also einer virtuellen Gefahr geopfert. Um den ganzen Vorgang zu verbrämen und mit mystisch suggestiver Kraft zu belegen, wird häufig von Menschenwürde gesprochen, die  den Täter vor entwürdigender Einwirkung schütze und  grundgesetzlich verbrieft sei.

Nun sind Polizeibeamte aber auch nur Menschen und somit Privatpersonen, die Nothilfe leisten können und die sogar verpflichtet sind, dem in Not geratenen Mitmenschen hilfreich zur Seite zu stehen und bestraft werden, wenn sie mögliche Hilfeleistungen unterlassen.  Dieser Zwiespalt, hie Polizeibeamter und dort ganz normaler Mitmensch, führte im Fall Gäfgen zu der einmaligen und laut Auffassung des Frankfurter Gerichts vom Gesetz her nicht vorgesehenen Situation, dass der Frankfurter Polizei-Vizepräsident Wolfgang Daschner und sein Kollege, Herr Hauptkommissar Ortwin E. sich für das Leben des Kindes entschieden und dem Täter Gewalt androhten, um von ihm den Aufenthaltsort des entführten Jakob von Metzler zu erfahren. Allein diese Maßnahme hatte bereits Erfolg. Leider konnte das Leben des Jungen nicht gerettet werden, da er bereits vorher von seinem Entführer Gäfgen getötet worden war. 

 

Dazu auch:

 

Nicht Folter, sondern Nothilfe

von Prof. Dr. Volker Erb

 

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