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Verweigerung

V 2.1

 

An mehrere Zeitungsverlage schrieb ich am 24. April 2008 eine eMail mit dem Hinweis, dass am 30. April 2008 der Polizeipräsident Wolfgang Daschner in den Ruhestand treten würde und es aus diesem Anlass geraten und anständig sei, sich seiner durch einen Artikel ehrend anzunehmen. Ich bot ihnen gleichzeitig kostenlos meine "Laudatio" an, falls sie keinen eigenen Text haben sollten. Für den Ablehnungsfall regte ich an, dass mein Text als Anzeige unter meiner Verantwortung erscheinen könne, wenn sie mir nur im Anzeigenpreis etwas entgegen kommen würden. Die Reaktion war enttäuschend, da nur zwei Verlage überhaupt reagierten. Sie bedauerten, meinen Text nicht veröffentlichen zu können, da sie nur Texte eigener Redakteure veröffentlichen würden. Eine Anzeige würde sicher einen vierstelligen Betrag erfordern. Da musste ich, wie erwartet, passen.

 

Nun wartete ich gespannt auf den 30. April, um zu sehen, welche eigenen Texte und Initiativen die Verlage entwickeln würden. Denn reagieren mussten sie auf das Ereignis, dessen Hintergrund Rechtsgeschichte in unserem Staat geschrieben hat und weiter schreiben wird. Wie schon erwartet war die Reaktion der Medien in ihrem Sinne "staatstragend". Die alten Titelzeilen und haltlosen Argumente tauchten wieder auf, so als ob es die weit fortgeschrittene Diskussion unter den Juristen dieses Landes nie gegeben habe, so als ob es den Kommentar Maunz/Düring und die Meinungen und Äußerungen folgender Juristen nie veröffentlicht worden wären:

 

1. Prof. Dr. Volker Erb, Nicht Folter sondern Nothilfe,

              Die Zeit Nr. 51, 9. Dezember 2004

 

2. Prof. Dr. Reinhard Merkel, Jenseits des Rechts,

              Die Zeit Nr. 38, 19. September 2007

 

3. Prof. Dr. Reinhard Merkel, Folter als Notwehr,

              Die Zeit Nr. 11, Seite 46 vom 6. März 2008

 

4. Dr. Dr. h.c. Heinrich Götz,

           Das Urteil gegen Daschner im Lichte der Werteordnung des Grundgesetzes,

           NJW 14/2005

 

5. Hartmut von Tzschoppe,

        Ein Virus im Urteil,

        Anmerkungen zur schriftlichen Begründung einer Frankfurter Strafkammer:

        Respekt für Wolfgang Daschner,

        Süddeutsche Zeitung, SZ 26.02.2005

 

6. Prof. Dr. Horst Dreier,

        Grundgesetz-Kommentar

 

... und viele, viele andere, darunter auch, und das ist bemerkenswert, das

 

7.  Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zum NRW-Verfassungsschutzgesetz.

 

Dort werden nämlich Schranken für die Grundrechte des Menschen wieder herausgekramt, so wie ich sie schon 1955 in der Schule gelernt habe:

 

Leib, Leben, Freiheit und Grundlagen menschlicher Existenz!

 

Ganz erbärmlich fand ich die Pressemitteilung des Hessischen Innenministeriums, dessen Hausherr Innenminister Volker Bouffier ist: Unter der Überschrift "Wolfgang Daschner in den Ruhestand verabschiedet" wird in 31 Zeilen zunächst auf den neuen Polizeipräsidenten Alfred Kayser eingegangen. Erst in den letzten zehn Zeilen wird der "Familienvater" Daschner gewürdigt. Kein Wort für sein aufopferungswürdiges Eintreten für das Leben eines elfjährigen Entführungsopfers, kein Wort des Dankes und der Anteilnahme an seine Familie, die unter einer entwürdigenden Medienkampagne gelitten hat.

 

Welch eine Atmosphäre des Verdrängens, welch ein ängstliches Schweigen und Wegsehen, denn mehr als 80% unserer Bürger sind meiner Meinung! Bilder des Vorwurfs an unsere Eltern tauchen da quälend in meinen Gedanken auf:

 

"Was habt Ihr getan, als die Viehwaggons durch Eure Dörfer und Städte ratterten und die Todgeweihten gen Theresienstadt und Dachau transportiert wurden? Wovor habt Ihr Euch gefürchtet? Warum habt Ihr nicht protestiert?"

 

Damals konnten die Eltern noch antworten:

 

"Wir haben nur geahnt, nichts gewusst. Wir hatten Furcht, das gleiche Schicksal unserer Freunde und Nachbarn zu erleiden, die eines Morgens nicht mehr da waren!"

 

Doch heute? Was ist heute?

 

Warum ist Jakob eines Morgens nicht mehr da?

 

 

 

 

Warum darf ein Mensch seinen Nachbarn, seinen Mitmenschen, die gequälte Kreatur nicht mehr schützen? Warum darf ein Polizist dem gegenübersitzenden Verbrecher nicht Gewalt androhen, um Jakob zu retten? Leib, Leben, Freiheit und Grundlagen menschlicher Existenz sind die Schranken des Verbrechers, sagt das Bundesverfassungsgericht! Also handeln wir danach wenn auch mit Tränen in den Augen, weil wir scheinbar so hehre Ziele wie die Würde des Menschen verraten müssen. Wirklich verraten oder doch nur schützen?

 

Hehre Ziele sind schnell definiert. Schnell auch werden hunderte, ja tausende und Millionen Menschen ihnen klaglos und verbrecherisch geopfert, wie Himmlers Rechtfertigungsrede uns zeigt. Der Mensch braucht offenbar seinen Gott! Sorgen wir jedoch dafür, dass dieser nicht zum Götzen wird! 

 

Hier muss ich nun eine Lanze für die Richter des Frankfurter Landgerichtes, Herrn Prof.  Hassemer und alle anderen kontrovers Beteiligten brechen, um die Diskussion in einem anständigen Fahrwasser zu halten! Meine Meinung in der Sache, die sicherlich zu der ihren konträr ist, ist keine Aussage über ihre Persönlichkeit, geschweige denn ein Mittel zur Beleidigung! Auch ein persönlicher Bezug zum Holocaust wäre abwegig.  Alle beteiligten Personen sind in meinen Augen ehrenwerte Bürger unseres Staates und unserer Demokratie. Jeder von ihnen macht sich an seinem Platz für unseren Staat verdient und hat sicherlich gute Gründe für seine Meinung. Lassen Sie uns anständig diskutieren! Freuen wir uns darüber, dass wir das in unserer freiheitlichen Demokratie gefahrlos tun können! Doch gehen wir sorgsam mit dem Leben um, so wie uns der Holocaust gemahnt.

 

Geben wir somit Jakob eine faire Chance! 

 

Ulrich Perwass

 

 

 

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