Startseite -> Kommentare -> Vor eigener Tür

 

 

 

Nachfolgenden Text herunterladen:            Vor eigener Tür.doc          Vor eigener Tür.pdf

(rechte Maustaste, Ziel speichern unter...)

 

 


Vor eigener Tür !

Ehrenmord und Würdemord,

Mord aus niederen und aus höchsten Beweggründen

V 3.0

 

"Lebenslang !   Für so eine Kleinigkeit !"

 

So hörte es die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen vom SPIEGEL im Gerichtsflur nach der Urteilsverkündung im Ehrenmordprozess gegen Ahmad O., der seine 16jährige Schwester am 15. Mai 2008 heimtückisch mit 23 Messerstichen ermordete. Welch eine für unseren Kulturkreis furchterregende Welt unbekannter moralischer Dimensionen steckt in dieser Aussage.

 

"Immer wieder hatte der Angeklagte seine Schwester Morsal im Namen der Familienehre verletzt." sagte der Richter. "Ehre," schreit Ahmad O. den Richter an "ich kenn keine Ehre! Sag mir, was Ehre ist."

 

"Sag mir, was Ehre ist!"

 

Kennen wir diese Frage nicht? War sie uns nicht selber vor einiger Zeit vor unserer eigenen Haustür gestellt worden? Sicher, doch da klang es ein wenig anders:

 

"Sag mir, was Würde ist!"

 

Ehre und Würde! Zwei verwandte Begriffe ethischer und moralischer Dimension. Damals ging es  wie heute bei Morsal um das Leben, um das Recht auf  Leben, das zu den fundamentalen Grundwerten unserer Gesellschaftsordnung zählt, um das Leben eines bestialisch gefolterten Entführungsopfers, das die Polizei noch retten zu können glaubte. Heute verurteilte man den Täter zu lebenslangem Kerker, weil die Ehre hinter dem Recht auf Leben zurückzustehen habe. Damals verurteilte man die Polizisten, weil die Würde des Mörders Vorrang vor dem Recht auf Leben des Opfers habe.

 

Welch ein Widerspruch! Wir stehen erstaunt da,  rümpfen die Nase über eine feudal-patriarchalische Gesellschaftsstruktur, die den Ehrenmord rechtfertigt und müssen betreten feststellen, dass auch bei uns ethische und moralische Wertvorstellungen so in den Vordergrund gezerrt worden sind, dass ein Mord oder besser die Beihilfe zum Mord durch zu unterlassende Hilfeleistung strafbewehrt unumgänglich wird. Die Genesis des Würdemordes!

 

Was sagte das Frankfurter Landgericht im Daschner-Prozess?  Die Würde des Täters habe Vorrang vor dem Leben des Opfers, da das Recht auf Leben im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland "erst an zweiter Stelle" hinter der Würde genannt sei! Ein Meilenstein juristischer Gedankenarbeit!

 

Das Recht auf Leben ist die Würde des Menschen! Das Recht auf Leben begründet die Würde des Menschen! Das Recht auf Leben ist das vornehmste jener individuellen Menschenrechte, die die Würde des Menschen neben seinen Pflichten in der sozialen Gemeinschaft und neben der Verantwortung und Verantwortbarkeit für sein individuelles Tun begründen und diese dadurch erst erfassbar und begreifbar machen!

 

Jenes Urteil des Frankfurter Landgerichtes schien dem jetzt bereits pensionierten Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichtes der Bundesrepublik Deutschland, Professor Dr. Dr. h.c Winfried Hassemer damals schon suspekt. Schnell zauberte er die "Personalität" hervor, diesen universalen ethischen und moralischen Begriff einer universitär gebildeten Gesellschaftsschicht für den absoluten Kernpunkt der Würde. Doch das reichte noch nicht. Es musste die "fundamentale Personalität" sein, die noch "fundamentaler" als das "Leben" sei. Erschauernd stehen wir vor soviel fundamentaler Würde und vergleichen seine fundamentalistische Gedankenwelt mit der des türkischen Familienvaters, der sich hinter seinem strafunmündigen Sohn versteckt und diesem die Aufgabe überträgt, die fundamentale Familienehre zu retten.  

    

Ehre und Würde! Welch missverstandene Begriffe, in die man notfalls alles das hineinstecken kann, was das eigene Tun scheinbar so problemlos rechtfertigt. Seien wir kritisch! Fordern wir von unseren Neubürgern, dass sie unsere Wertvorstellungen anerkennen und hier danach leben, doch kehren wir auch vor unserer eigenen Tür, damit wir glaubhaft werden und bleiben!

 

Ulrich Perwass

 

p.s.

Würdemord

 

Nachfolgend die "23 Messerstiche" eines Bundesverfassungsrichters und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte EGMR, die den Kampf zweier hessischer Polizisten um das Leben eines bestialisch gefolterten Verbrechensopfers als "Folter" bezeichnen:

 

- Zitat aus Spiegel online, 6.3.03 -

 

Hassemer (Vizepräsident der Bundesverfassungsgerichtes):

Beim Folterverbot geht es um den körperlichen Zwang, der den Willen des Betroffenen brechen soll, und der ist unter keinen Umständen gerechtfertigt.

Spiegel online:

Wirklich nicht? Beim finalen Rettungsschuss dürfen Polizisten doch sogar töten, um Leben zu retten.

 

Hassemer:

Der entscheidende Unterschied ist: Solche Handlungen greifen zwar auf das Leben zu, zerstören aber nicht die Würde des Menschen. Die Folter ist ein Angriff auf die Personalität, und das ist noch etwas viel Fundamentaleres als das Leben.“

 

- Zitatende -

 

Zitat aus demUrteil des EGMR:

(EGMR, Nr. 22978/05, Urteil v. 30.06.2008, HRRS 2008 Nr. 627)

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/egmr/05/22978-05-1.php

 

63.

In Artikel 3 der Konvention ist einer der wichtigsten Grundwerte der demokratischen Gesellschaften verankert. Im Unterschied zu den meisten materiellrechtlichen Bestimmungen der Konvention sieht Artikel 3 keine Ausnahmen vor und nach Artikel 15 Absatz 2 darf nicht einmal im Fall eines öffentlichen Notstands, der das Leben der Nation bedroht, von ihm abgewichen werden. Die Konvention enthält ein absolutes Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung, das unabhängig vom Verhalten des Betroffenen gilt.

 

69.

Der Gerichtshof möchte in diesem Zusammenhang Folgendes unterstreichen: Angesichts des absoluten Verbots einer gegen Artikel 3 verstoßenden Behandlung, das unabhängig vom Verhalten des Betroffenen und selbst im Fall eines öffentlichen Notstands gilt, der das Leben der Nation - oder erst recht das einer Person - bedroht, gilt das Verbot der Misshandlung einer Person, um Informationen von ihr zu erlangen, ungeachtet der Gründe, aus denen die Behörden eine Aussage erlangen wollen, sei es zur Rettung eines Lebens oder zur Förderung strafrechtlicher Ermittlungen. Ferner ist davon auszugehen, dass die Behandlung des Beschwerdeführers ihm erhebliches seelisches Leiden verursachte, was auch dadurch verdeutlicht wird, dass er - nachdem er sich bis zu diesem Zeitpunkt beharrlich geweigert hatte, wahrheitsgemäße Aussagen zu machen - unter dem Einfluss dieser Behandlung gestand, wo er J. versteckt hatte. Der Gerichthof stellt daher fest, dass die dem Beschwerdeführer angedrohte Behandlung, wenn sie erfolgt wäre, als Folter anzusehen wäre.

 

(Redaktioneller Hinweis:

Nichtamtliche deutsche Übersetzung aus dem Englischen durch das Bundesministerium der Justiz, Berlin.)

- Zitatende -

 

 

 

 

 

Trilogie Würdemord:

Vor eigener Tür

Würdemord!

Würdemord - Begriffsdefinition

 

Weitere Kommentare:

Würdemord oder Notwehr?

Phänomen Würdemord!

Verfassungsbruch Würdemord

 

 

Zum Würdemordproblem:

Zum Würdemordproblem ist in der Wochenzeitung "Die Zeit" eine scharfsinnige und geschliffene juristische Replik von Prof. Dr. Reinhard Merkel erschienen, die die zur Zeit im Rechtswesen dominierende Argumentationskette führender Juristen für den Würdemord ad absurdum führt:

Reinhard Merkel, Folter als Notwehr,  Die Zeit,  Nr. 11,  6.3.2008

Der Autor ist Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg.

 

 

Nach oben

 

  Besucher aller Seiten in diesem Jahr:

Letzte Änderung:  02.07.2010 10:42:08   -  Copyright Ulrich Perwaß 1991/2009.    Alle Rechte vorbehalten